Die Digitale Agenda der Bundesregierung und das E-Health-Gesetz haben der Telemedizin in Deutschland 2015 einen deutlichen Impuls und Dynamik gegeben. Das Interesse am Potenzial der Telemedizin für eine wohnortnahe, hochqualitative medizinische Versorgung ist in der Bevölkerung geweckt und wird durch die mediale Präsenz des Themas immer größer.
Intelligente Gesundheitsnetze


Status und Fortschritt priorisierter Handlungsfelder
Im Rahmen des Stakeholder Peer Reviews wurden priorisierte Themen zu Intelligenten Gesundheitsnetzen vertiefend betrachtet. Folgende Detailbeschreibungen und Bewertungen bilden diese Schwerpunktsetzung ab.


kritisch

fortgeschritten

hohe Dringlichkeit
Das Fehlen einer standardisierten und sicheren Patientenaktenstruktur ist eine große Hürde für die Realisierung der Telemedizin in Deutschland.
Sie ist auch wichtig, um eine Skalierung von E-Health-Lösungen und Förderprojekten zu erreichen (auch des geplanten Innovationsfonds). Gegenwärtig ist eine nicht immer effiziente Vielfalt isolierter Pilotprojekte (allein > 300 im Telemedizinbereich) in Deutschland zu verzeichnen. Die wenigsten Projekte schaffen den Sprung in die Regelversorgung sondern werden mit Ablauf der Projektförderung beendet.
Die elektronische Patientenakte (ePA) ist eine wichtige Basis für intelligente Vernetzung in sektorübergreifenden Versorgungsmodellen und auch für den Brückenbau von der Smartphone-Welt zur sicheren Telematikinfrastruktur. Diese konnte bis heute nicht realisiert werden. Die bisherigen Pilotprojekte zur ePA waren nicht ausreichend erfolgreich. Weitere Maßnahmen sind daher zu ergreifen, um ein elektronisches Befüllen der Patientenakte aus den Primärsystemen zu ermöglichen. Eine wichtige Maßnahme in diesem Zusammenhang ist die Vereinbarung eines verbindlichen Zeitplans zur Einführung von elektronischen Fallakten.
Dies gilt auch für die Einführung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS). Die Portabilität von Patientenakten ist zwar gesetzlich geregelt, ob und inwieweit aber tatsächlich der Patient für die Erfüllung dieses Anspruchs sorgen kann, bleibt oftmals unklar und eine Herausforderung.
Seit etwa zehn Jahren ist die ePA als Anwendung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) in § 291a SGB V gesetzlich definiert, ohne dass bisher seitens der Selbstverwaltung auch nur ansatzweise eine Umsetzung in Angriff genommen wurde.
Eine verbindliche Vorgabe des Gesetzgebers (Frist mit Sanktionierung) erscheint als eine vielversprechende zukünftige Maßnahme, um wichtige Fortschritte zu erreichen. Entsprechende Schritte könnten ab sofort – auch parallel zum Aufbau der Infrastruktur – erfolgen. Hier induziert das E-Health-Gesetz einen Rahmen und eine Dynamik, die in der Folge mit entsprechenden Maßnahmen genutzt werden sollten.
Wie kann eine elektronische Patientenakte als Schlüsselanwendung für intersektorale Versorgung und Brücke zur Smartphone-Welt zeitnah realisiert werden?
- Erstellung eines Masterplans zur zügigen Identifizierung und Überwindung von Umsetzungsbarrieren der bereits 2003 gesetzlich definierten ePA (Time-to-Market)
- Die ePA-Ausgestaltung muss sowohl deutsche und europäische Datenschutzregeln parallel berücksichtigen als auch selbstverständlich internationale Datenstandards.
- Das Gesetz sieht die Einführung einer elektronischen Patientenakte schon seit 2003 vor (§ 291a SGB V). Wichtig wäre, dass gerade bei der Neuregelung zur Interoperabilität in § 291e das Ziel der elektronischen Patientenakte fixiert wird. Die Daten gehören dem Patienten, der (elektronische) Abschriften auf Verlangen gegen Kostenerstattung erhalten kann.
Wie müsste ein legislatorischer Impuls aussehen, um die bereits im Gesetz enthaltene elektronische Patientenakte in einem überschaubaren Zeitraum Realität werden zu lassen und wie würde der Auftrag an die Selbstverwaltung aussehen?
Konkrete Empfehlungen für einen Anspruch auf eine elektronische Patientenakte beinhalten:
- Den Anspruch des Patienten präzisieren – das Recht aller Bürger, die über sie erhobenen Daten und verfügbaren Informationen von jedem Leistungserbringer in strukturierter elektronischer Form in einer von ihm frei wählbaren elektronischen Akte zu bekommen, bei gleichzeitiger Verpflichtung aller Leistungserbringer, diese Daten und Informationen auf Verlangen des Patienten unverzüglich in die jeweilige Akte zu übertragen. Beides sollte im SGB geregelt werden.
- Ziel ist die Verfügbarkeit aller für den jeweiligen Prozess notwendigen Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort, und zwar wiederverwertbar.
- Finanzierung der Akte durch die Sozialleistungsträger
- Die Punkte 1 bis 3 führen auch dazu, dass Interoperabilität im Interesse aller am Prozess Beteiligten ist und folglich, analog zum Mobilfunk, seitens der Industrie – ohne staatliche oder semistaatliche Intervention! – hergestellt werden sollte.
- Konformität zu strengen Datenschutzbestimmungen des § 291a SGB V
- Die Akte soll patientengeführt sein, d. h. der Patient kann auch eigene Messdaten (z. B. von mHealth-Apps) integrieren.


kritisch

fortgeschritten

hohe Dringlichkeit
Wie wird schnellstmöglich die Interoperabilität und Standardisierung von Anwendungen in der Telematikinfrastruktur erreicht?
Die Unvollständigkeit an übergeordneter semantischer Interoperabilität verzögert und verteuert den sektorübergreifenden Datenaustausch, der für die weitere Entwicklung der Telemedizin grundlegend ist.
Bisher wird die Schnittstellenstandardisierung nur sektorspezifisch und nicht sektorübergreifend angegangen.
Die Ergebnisse einer umfassenden Interoperabilitätsstudie des BMG weisen deutlich darauf hin, dass zur Problemlösung eine Orientierung an internationalen Standards erfolgen muss, begleitet von einem fortlaufenden und sicheren Standardisierungsprozess durch einen unabhängigen Expertenrat. Die Umsetzung dieser zielführenden Vorschläge steht bisher noch aus.
Eine Verbindlichkeit zur Nutzung der Telematikinfrastruktur sollte idealerweise (ab Verfügbarkeit) vorgegeben werden, stattdessen steht die finanzielle Förderung von weniger sicheren Parallel-netzen im Raum. In Deutschland existieren derzeit noch zu viele, auch mit öffentlichen Geldern geförderte Projekte, die mit proprietärer Technologie auch dort arbeiten, wo internationale Standards zur Verfügung stehen.
Die Planungen zur Steuerung der Interoperabilität im E-Health-Gesetz sind noch nicht weitreichend genug. Im Wesentlichen wird die gematik bisher darauf beschränkt, Empfehlungen zu erstellen. Das heißt, der richtige Anfang ist mit dem E-Health-Gesetz vollzogen worden, um eine umfassende Interoperabilität zu erreichen. Darüber hinaus bedarf es einer kontinuierlichen wie auch verbindlichen Verabredung von technischen und semantischen Standards, die über alle Sektoren hinweg gültig sind. Im Ergebnis der Interoperabilitätsstudie des BMG von 2014 wurde hierfür ein von den Strukturen der Selbstverwaltung unabhängiger E-Health-Rat vorgeschlagen. Ein solches Gremium bzw. ein solcher Mechanismus ist im Referentenentwurf des E-Health-Gesetzes leider bisher nicht vorgesehen. Die Umsetzung der Ergebnisse der Interoperabilitätsstudie mit maßgeblicher Beteiligung der Industrie erscheint als innovativer, zukunftsorientierter Vorschlag, um das Potenzial der initialen Maßnahmen auf eine andere Ebene zu heben.
Der Bedarf an weiteren Maßnahmen für einen verbindlichen und expertengestützten Prozess zur Gewährleistung übergreifender Interoperabilität unter Beteiligung der Wirtschaft ist also evident, um Regelungen für die Kompatibilität in der Telematikinfrastruktur zu schaffen. Diese könnten auch als übergeordneter Standard für alle Projekte des geplanten Innovationsfonds verwendet werden. Als Prozess zur Erreichung einer Interoperabilität kann der Einführung neuer Mobilfunknetze durch die verschiedenen Anbieter als Vorbild dienen.


kritisch

fortgeschritten

hohe Dringlichkeit
Wie wird die Abrechenbarkeit von Arzt-zu-Arzt-Konsultationen und Telemonitoring in allen medizinischen Fachgebieten gewährleistet?
Gegenwärtig existieren in Deutschland bereits zunehmende medizinische Versorgungsengpässe aufgrund der demografischen Entwicklung in einigen struktur-schwachen Gebieten. Ein Lösungsansatz für dieses wichtige Problem ist im Versorgungsstrukturgesetz formuliert worden: Telemedizinische Leistungen sollten bis 2014 in die Regelversorgung überführt werden. Die Umsetzung steht auch 2015 noch aus.
Das zentrale Hindernis bei der umfangreichen Etablierung in der Fläche ist die fehlende Abrechenbarkeit von Telemedizin. Diese existiert nur rudimentär für wenige Spezialfälle. Im Referentenentwurf des -E-Health-Gesetzes soll mit der teleradiologischen Befundung eine erste Abrechnungsziffer mit sanktionsbewährtem Mechanismus eingeführt werden. Damit ist mit dem E-Health-Gesetz ein wichtiger Beginn initiiert worden und im eng umgrenzten Bereich der Röntgenbefundung eine telemedizinische Erbringung gelungen. Weitere Telemedizinleistungen nach dem Verfahren nach § 87a SGB V müssen schnellstmöglich auch in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) mit aufgenommen werden. Ein Beispiel hierfür wäre die Vergütung des telemedizinischen Moniotirings gerinnungshemmender Therapie zur Behandlung des Vorhofflimmerns (z. B. mit Vitamin-K-Antagonisten).
Die Evidenz für einen effektiven Patientennutzen durch diese telemedizinische Anwendung ist bereits vorhanden. Regelungen für ein weiter gefasstes Anwendungsspektrum bzw. für eine Äquivalenz von Leistungen unabhängig vom Weg der (gegebenenfalls telemedizinisch gestützten) Erbringung sind erforderlich.
Entsprechend der im Koalitionsvertrag beabsichtigten Ausrichtung auf Chroniker und Risikopatienten sollten Abrechnungsziffern für alle DMP-Krankheitsbilder (Diabetes, koronare Herzkrankheit, Schlaganfall etc.) mit verbindlichem Einführungsprozess geschaffen werden.
Ein zentraler Punkt im Rahmen der Realisierung der Telemedizin ist die Zulassung der Fernbehandlung in Deutschland.
Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern ist in Deutschland bisher die Fernbehandlung nur über technische Mittel laut Musterberufsordnung (MBO) der Ärzte nicht erlaubt. Dieser Passus in der MBO sollte novelliert werden, so dass Fernbehandlung auch in Deutschland vollumfänglich zulässig wird. Alle Leistungen, die auch digital erbracht werden können (Videosprechstunde, Telemonitoring etc.), sollen medicolegal durchgeführt und abgerechnet werden können wie nicht digital erbrachte Leistungen.
Zusammenfassend ist es sehr wichtig, weitere Maßnahmen zu ergreifen, um die Abrechenbarkeit im E-Health-Gesetz sowohl für den ambulanten als auch für den stationären Sektor zu ermöglichen.
Status und Fortschritt nach Zielbildern 2020
Die nachfolgenden Detailbetrachtungen zeigen die von der Projektgruppe „Intelligente Gesundheitsnetze“ erarbeiteten Zielbilder für den in 2020 angestrebten Zustand des Gesundheitssektors in den strategischen Ebenen. Nebenstehend wird der aktuelle Status und die Umsetzung ausgehend von diesem Zielbild bewertet. Detailbeschreibungen der Zielbilder/Zielbildbausteine finden Sie im Ergebnisbericht 2013.1
Ergebnisse der Projektgruppe Intelligente Gesundheitsnetze
2015
Status und Fortschritt Intelligenter Gesundheitsnetze in Deutschland
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2014
Nutzen und Anwendungen Intelligente Gesundheitsnetze
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2013
Ergebnisbericht 2013
Zielbilder Intelligenter Gesundheitsnetze
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2012
Ergebnisbericht 2012
Intelligente Netze im Gesundheitswesen
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