Empfehlungen zur Einbettung von Gesundheits-IT in die Aus- und Weiterbildungen von Heilberufen sowie Ausbildungsvorschläge zum Fachkräftemangel in der Health-IT-Industrie

Ausgangslage

Die rasante Entwicklung der Informationstechnologie in den letzten Jahren hat auch dem Gesundheitswesen neue Wege der Prävention, Diagnostik und Therapie eröffnet. Viele Innovationen werden gegenwärtig im Bereich der Telemedizin und Telekonsultation in das Gesundheitssystem integriert und realisiert. Telemedizin hat damit ein großes Potenzial für eine Sicherstellung und Verbesserung der Qualität einer zukunftsorientierten und effizienten Patient/innenversorgung in Deutschland, indem zusätzliche ärztliche Expertise und Kompetenz bedarfsgerecht, hochverfügbar und kosteneffizient am jeweils notwendigen Ort zur Verfügung gestellt werden kann. Damit hat die Telemedizin ein hohes Potenzial, die Behandlungs- und Prozessqualität sowie die Effizienz der Versorgung relevanter Patient/innenkollektive als innovatives Gesundheitsnetzwerk, flächendeckend und messbar zu verbessern.

Für einen stabilen und langfristigen Ausbau der digitalen Gesundheitsversorgung sowie deren konsekutiver und konsequenter Weiterentwicklung sind Aus- und Weiterbildungsangebote für die Leistungserbringer eine absolut notwendige Voraussetzung. Gegenwärtig ist allerdings festzustellen, dass die Themen Telemedizin und eHealth weder in der studentischen Lehre noch in den Curricula der verschiedenen Facharztausbildungen behandelt werden. Auch im Rahmen der Vorbereitung der neuen Musterweiterbildungsverordnungen spielen Telemedizin und eHealth keine Rolle. Es gibt einige Bereiche wie die Schlaganfallversorgung oder Notfallmedizin, in denen Strukturempfehlungen der Fachgesellschaften erarbeitet und publiziert worden sind und im Bereich der Intensivmedizin ist dieses Jahr sogar eine Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)-Leitlinie veröffentlicht worden. Allerdings beschränken sich diese auf technische und strukturelle Anforderungen, das Thema Aus- und Weiterbildung wurde bisher vernachlässigt. Angesichts der zunehmenden epidemiologischen Herausforderungen, vor denen das Gesundheitswesen steht, muss die Versorgungsstruktur durch forcierte Digitalisierung flexibler und leistungsfähiger werden. 2030 werden in Deutschland voraussichtlich über 100.000 Ärzt/innen fehlen. Schon jetzt weist Deutschland EU-weit die älteste und weltweit nach Japan die zweitälteste Bevölkerung auf. Daher lautet die Frage nicht ob, sondern wie tiefgreifend der digitale Wandel unser Gesundheitswesen verändern muss, um auch in Zukunft die bestmögliche Gesundheitsversorgung unserer Bürgerinnen und Bürger mit hoher Qualität und Zugänglichkeit in jeder Region zu erreichen. Zur Sicherstellung einer Telemedizin mit hoher Qualität ist eine Integration in die Aus- und Weiterbildung mit standardisierten Inhalten zu fordern und zu fördern.

Ausbildung

Aufgrund der skizzierten Ausgangslage ist es also notwendig, dass in Deutschland die Kompetenzen im Bereich Telemedizin und eHealth aufgebaut werden. Hierzu ist die Organisation einer Qualifizierung im Bereich der digitalen Gesundheitsversorgung mit neuen Bildungsinhalten und Qualifikationen die Voraussetzung für eine qualitätsgesicherte Weiterentwicklung. Zentrale Themen sind sichere Datenübermittlung, Datensouveränität, Datensicherheit und Datenschutz sensibler Gesundheitsdaten von Patient/innen, aber auch Akzeptanz, Usability, ethische Herausforderungen sowie Stand der Technik mit den Möglichkeiten und Grenzen für verantwortungsvollen Einsatz in Diagnostik und Therapie.

Selbstverständlich bieten sich für die Realisierung der Ausbildung im Bereich Telemedizin und eHealth digitale Lernformate, z. B. MOOCs, und Online-Plattformen an, die in die bestehenden Studien- und Ausbildungsgänge integriert werden sollten. Neben e-Learning Plattformen mit live-Tutoren ist insbesondere die Vernetzung von verschiedenen Bildungsträgern zur Erhöhung der Kompetenzen sinnvoll, um das Potenzial und Expert/innen wissen auf digitalen Bildungsplattformen für möglichst viele Lernende vor Ort oder auch in virtuellen Klassenzimmern zur Verfügung zu stellen. Lehrende können einfacher individuelle Unterstützungs- und Hilfeleistungen anbieten und flexibel auf die Lernbedürfnisse eingehen. Lernende können die Inhalte der Curricula mit individuell angepassten Lernmitteln flexibel und ortsunabhängig erarbeiten.

Weiterbildung

In der beruflichen Weiterbildung ist durch die digitale Transformation und Entwicklung auch die Transformation des Konzepts des lebenslangen Lernens erforderlich. Neue Konzepte für eine digitale Weiterbildung gilt es zu entwickeln. Neue Qualifizierungs- und Zertifizierungskataloge sind zu definieren und umzusetzen, so zum Beispiel neue Masterstudiengänge oder zertifizierte Weiterbildungsprofile mit Bewertungssystemen. Die Ausübung von Telemedizin und Telekonsultationen sollte zukünftig mit dem Erwerb solcher spezifischer und zertifizierter Weiterbildungsinhalte assoziiert werden, um eine standardisierte und qualitätsgesicherte digitale Gesundheitsversorgung sicherzustellen.

Unterstützende Maßnahmen

Eine wichtige unterstützende Maßnahme für die digitale Aus- und Weiterbildung im Gesundheitsbereich ist die Vernetzung von Bildungsstätten, Datenbanken und Plattformen mit einer umfassenden open-access-Strategie um den Zugang für möglichst viele Interessierte zu ermöglichen und schnell eine ausreichende Anzahl von aus- und weitergebildeten Expert/innen zu erreichen.

Dafür ist eine Standardisierung der Lehrinhalte und des zeitlichen Rahmens zu definieren. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen könnten im Zuge eines zweiten e-Health Gesetztes geregelt werden und von der Bundesärztekammer gemeinsam mit den Fachgesellschaften konkretisiert werden, um eine zeitnahe Einführung zu unterstützen. Dazu sollten weitere unterstützende Maßnahmen kommen wie beispielsweise

  • Förderung von Weiterbildungs- und Fortbildungsmöglichkeiten zu IT-Themen
  • Sammlung von Best-Practice Beispielen zur Nutzung von digitalen Angeboten in Medizin, Pflege und Heilberufen
  • Förderung Knowhow-Transfer Industrie/Wissenschaft/Praxis, z. B. durch Konferenzen, Vortragsveranstaltungen etc

Health-IT Industrie

Zur Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit ist auch die deutsche Health-IT Industrie auf Mitarbeiter/innen angewiesen, die Kenntnisse in Informationstechnologien mit fundierten Branchenkenntnissen im Gesundheitswesen verbinden. Eine qualifizierte eHealth Literacy würde den entsprechend ausgebildeten Personen attraktive Berufschancen sowohl im Gesundheitswesen als auch in der Industrie eröffnen.