Expertengruppe Smart Wearables
Im Kontext eines zunehmenden Gesundheitsbewusstseins haben sich in Deutschland Fitnessarmbänder, Herzfrequenzmesser und Smart Watches zusammen mit Laufapps bzw. Fitnessapps etabliert. Sie erfreuen sich zunehmender Akzeptanz bei Konsumenten, obwohl zugleich eine Debatte über Datensicherheit und Genauigkeit geführt wird: Die Konsumenten haben entschieden, dass solche Geräte nützlich und wünschenswert sind.
Der aktuelle Trend zu Wearables wurde durch die technischen Fortschritte im Bereich der Mikroelektronik, Sensorik, Standarisierung und App-Kultur ermöglicht. Als Beispiel kann hier Bluetooth Low Energy genannt werden. Die Funktechnologie ermöglicht es, Sensoren über iOS oder Android stromsparend im Alltag zu verwenden. Auch die Entwicklung von App-Plattformen für iOS und Android war eine Vorbedingung für diesen Trend. Heute können Hersteller dem Nutzer durch eine App relativ einfach Services zur Verfügung stellen. Technisch bleibt noch die Herausforderung, die Sensorik zu verbessern und den Stromverbrauch weiter zu reduzieren oder die Batteriekapazitäten weiter zu erhöhen. Uhren, die täglich an ein Ladegerät angeschlossen werden müssen, stellen ein Usability-Problem dar.
Wearables unterstützen das Ziel, das Gesundheitsund Bewegungsbewusstsein der Menschen zu erhöhen. Sie ermöglichen es jedem, selbstverantwortlich seinen Körper besser kennenzulernen. Mit den Informationen der Fitnessarmbänder und Herzfrequenzmesser sowie der Hilfe von Ärzten lassen sich diverse Krankheiten frühzeitig erkennen. Dies erfolgt im Moment noch als nicht standarisierte Zusammenarbeit zwischen den Nutzern und Medizinern.
Auch Krankenkassen haben erkannt, dass Wearables zu mehr Gesundheitsbewusstsein führen können. Einige unterstützen den Kauf von Fitnesswearables monetär, um in die Prävention von Krankheiten zu investieren. Die positiven Effekte müssen noch über einen längeren Zeitraum bewiesen werden, doch stellt ein erhöhtes Körperbewusstsein des Einzelnen aus gesundheitlicher Sicht bereits einen Erfolg dar.
Das Sammeln, Speichern und Auswerten der ermittelten persönlichen Daten hat eine Debatte bezüglich der Sicherheit der erhobenen digitalen Inhalte entfacht. Der Nutzen der gewonnenen Informationen für den Konsumenten steht der Offenlegung persönlicher Daten sowie privater Inhalte und Informationen gegenüber. Sowohl Konsumenten als auch Hersteller und Gesetzgeber wägen derzeit den Nutzen gegenüber dem Schutz der Privatsphäre ab. Besonders die Hersteller von Wearables und Anbieter digitaler Services arbeiten an einem höheren Nutzen der Daten für den Nutzer und sich selbst. Die neue EU-Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) wird einen positiven Einfluss auf die zukünftige Transparenz der Datenspeicherung und Nutzung haben. Viele Hersteller werden deutliche Änderungen an den Benutzerveinbarungen durchführen und diese auf EU-Ebene harmonisieren.
Gemeinsame Forschungsprojekte zwischen öffentlichen Institutionen, Großunternehmen, dem deutschen Mittelstand und der Forschungsgemeinschaft sind in diesem Zusammenhang besonders zu begrüßen. Beispielsweise werden mit der Initiative „Smart Service Welt“1 des BMWi Impulse gesetzt. Erste geförderte Projekte zur Standardisierung von Schnittstellen und Datenformaten im Bereich der Wearables und zur Marktöffnung über Plattformen sind sehr zu begrüßen.2
Fitness-Wearables bilden einen neuen Markt bzw. ein neues Marktsegment. In der vergangenen Dekade gab es immer wieder Anläufe, aus Wearables ein Geschäft zu machen, aber erst jetzt stimmen alle Parameter (Technik, Use-Cases, Akzeptanz). Unter den Top 5-Unternehmen des Wearable-Marktes für Konsumenten ist bislang jedoch kein deutscher oder europäischer Hersteller.3
Es ist wichtig, die Zukunft des Marktes für Smarte Fitness-Wearables im Blick zu behalten. Dieser befindet sich in einem rapiden Wachstum und es werden für immer mehr Anwendungen Nischenprodukte gebaut. Entscheidend ist, wer in Zukunft in der Lage sein wird, all die erzeugten Daten eines Nutzers zusammenzuführen und die richtigen Services anzubieten. Die großen Hersteller sind dazu übergegangen, Life-Apps zu bauen, die Informationen aus verschiedenen Wearables zusammenführen, um Empfehlungen für Geist, Körper, Ernährung und Erholung abzuleiten. Aktuell besetzt auch in diesem Markt kein deutsches Unternehmen eine Führungsrolle.
Zukünftig wird die Wertschöpfung zunehmend mit datenbasierten Services erfolgen. Im Rahmen des „Internets der Dinge“ werden Wearables eine weitere Datenquelle sein. An dieser Stelle wäre es sinnvoll, einen offenen Plattformansatz zu etablieren, bevor der Markt unter den bekannten Mitspielern aus dem Silicon Valley aufgeteilt wird.
Wearables im medizinischen Bereich
Es gibt im medizinischen Bereich bereits viele Ansätze, Wearables sinnvoll in Diagnose und Therapie einzubringen. Ein klassisches tragbares Langzeit-EKG-Gerät ist z. B. ein Wearable, welches schon existierte, bevor diese Gattung den starken Rückenwind aus dem Fitnessbereich bekommen hat. In Zukunft werden auch verschiedene Consumer-Systeme in der Lage sein, ein Langzeit-EKG aufzunehmen und eine Herzvariabilitätsanalyse zu liefern.
Speziell im Bereich der Rehabilitation gibt es verschiedene Ansätze, z. B. mit Hilfe intelligenter Kniebandagen die Therapie zu unterstützten. Diese Wearables sind in der Lage, die Ausführung von Übungen zu überwachen und mit den entsprechenden Trainingsapps die Rehabilitation zu protokollieren. Die Trainingsapps enthalten in diesem Falle vom Arzt und Therapeuten angefertigte Trainingspläne, welche individuell angelegt werden können. Die Kommunikation über die Ausführung kann dann über eine Plattform erfolgen, die Arzt, Patient und Therapeuten zusammenbringt. Diese Entwicklungen sind aufgrund der aktuellen Regulierung des Marktes nicht im Einsatz, obwohl sie technisch bereits möglich wären. Wearables in diesem regulierten Markt müssen durch Studien ihre Nutzbarkeit nachweisen und die beteiligten Akteure müssen einen Mehrwert vom Einsatz haben. Hier entscheidet nicht der Konsument.
Dieses Beispiel zeigt, dass unter entsprechenden Rahmenbedingungen ein neuer Markt von Produkten entstehen könnte mit Geräten, die vom Konsumenten im medizinischen Bereich selbständig eingesetzt werden. Dies ist eine Chance für die im Medizinbereich sehr starken Unternehmen in Deutschland.
Defizitär sind derzeit die regulatorischen Rahmenbedingungen, die von der Politik gesetzt werden. Für eine Verbreitung und Anwendung von Wearables im Rahmen von medizinischen Therapien und Diagnosen muss der Gesetzgeber klare Richtlinien definieren. Anschließend können Nutzer, Hersteller, Vertreiber, Ärzte, Serviceanbieter und Krankenkassen nachhaltig von zusätzlichen Informationen über die Patienten profitieren. Die Krankenkassen müssen vom Trend der Fitnessbranche lernen und die Verwendung von Wearables über neue digitale Geschäftsmodelle und Services in Krankenhäusern und Arztpraxen fördern.
Derzeit vorhandene Lösungen beschränken sich vor allem auf Heiz- und Sensorfunktionen. Zukünftig werden Aktuatoren über Feedback oder Stimulation vollkommen neue Therapiemöglichkeiten erlauben.
Wearables Ausblick
Die Zukunft der Wearables wird stark in Richtung „ Invisible“ gehen. Invisibles sind Wearables, die nicht sichtbar am Körper getragen werden. Es wird eine stärkere Integration von Elektronik in Alltagsgegenstände und Kleidung stattfinden, ohne dass der Nutzer dies spüren wird.
Zero UI ist ein Trend, der für Wearables eine nahtlose Integration in die Nutzer-Experience bedeutet. Wo wir heute noch Wearables aktivieren, synchronisieren und aufladen müssen, wird das Wearable zukünftig einfach ohne Administration durch den Nutzer funktionieren und mittels 5G-Mobilfunknetzen die Daten direkt in die Cloud übermitteln.
Um diese Entwicklung erfolgreich voranzutreiben, bedarf es eines fundierten Wissens über die Themenfelder Energy Harvesting, Embedded Energy Storage, Ultra- LowPower, Smart Textiles, Electronic Printing und User Experience.
Neben definierten Standards fehlt es an skalierbaren Produktionsmitteln. Derzeit gleicht der Produktentwicklungs- und -herstellungsprozess Manufakturbetrieben. Damit zukünftig Start-Ups, KMUs und deutsche Großkonzerne gleichermaßen an der Entwicklung des Marktes für Wearables teilhaben können, müssen einheitliche Standards geschaffen und Investitionen in Produktionsmittel gefördert werden.
Zukünftige Wearables werden es ermöglichen, immer mehr Körperdaten ohne großen Eingriff in das Alltagsleben zu sammeln und auszuwerten. Vom Gesundheitsaspekt her können die Wearables 24/7 Daten erzeugen und dadurch zukünftig viele Krankheiten melden und verhindern. Theoretisch wird ein Herzinfarkt in Zukunft von der Kleidung erkannt und der entsprechende Notruf eingeleitet.
Natürlich wird dies zu einer gesellschaftlichen Debatte führen, wie stark die Nutzer am Ende noch über einen freien Willen verfügen, wenn Apps und Algorithmen ihnen vorschreiben, wie sie zu leben haben. Daher müssen Konzepte gefunden werden, die es dem Nutzer erlauben, über die Nutzung seiner Daten sicher zu verfügen. Stand heute werden die Daten der Nutzer von privatwirtschaftlichen Marktteilnehmern verwaltet. Mit zuverlässigen und sicheren Plattformlösungen kann die Bundesrepublik Deutschland die Zukunft der Wearables mitgestalten und den Bürgern erstmals eine Alternative für ihre personenbezogenen Daten bieten.
- https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Digitale-Welt/smart-service-welt.html ↩
- https://www.vdi.de/artikel/internetbasierte-dienste-und-technologien-fuer-wearables-fitness-und-healthcare-applikationen-1/ ↩
- Die fünf Wearable-Hersteller mit den derzeit größten Marktanteilen sind Fitbit, Xiaomi, Garmin, Apple und Samsung. Vgl. http://www.idc.com/getdoc.jsp?containerId=prUS41996116 ↩