Expertengruppe Smart Data
Die Vorteile moderner Smart Data-Technologien im Gesundheitswesen sind mittlerweile auch in der öffentlichen Debatte angekommen. Von Personalized Medicine zu epidemiologischer Forschung auf longitudinalen Daten sind hier für die nächsten Jahre nicht nur Fortschritte, sondern Quantensprünge zu erwarten. Hiervon profitiert der Patient, dessen Behandlung gezielter angepasst werden kann, für den schneller auf Basis eines weiten Wissensschatzes Therapien identifiziert werden können und der durch personalisierte Empfehlungen die Möglichkeit erhält, gesünder zu leben. Gleichzeitig kann so der Kostenexplosion des Gesundheitswesens zumindest zum Teil entgegengesteuert werden. Daten können so nicht nur das Öl, sondern auch das Penicillin des 21. Jahrhunderts werden.
Um von diesen Vorteilen profitieren zu können, sind jedoch vor allem Daten nötig. Neuartige medizinische Forschungsmethoden liefern nur dann relevante Ergebnisse, wenn sie auf einer ausreichend großen Datenmenge aufbauen können. Diese müssen einerseits erhoben und andererseits für Patienten, Ärzte und Forscher leicht zugänglich gemacht werden. Natürlich kann dies nur im Einklang mit geltenden Sicherheitsregeln, Datenschutzgesetzen und moralischen Grundsätzen geschehen. Die Rede ist keinesfalls von einer Totalerfassung des deutschen Gesundheitszustands, sondern von einer patientenzentrierten Nutzung der existierenden Daten. Die Hoheit über seine Gesundheitsdaten muss und soll beim Patienten verbleiben.
Der erfolgreichen Nutzung dieser Technologien stehen jedoch mehrere Hürden entgegen, welche es zu überwinden gilt. Zu diesem Zweck werden Handlungsempfehlungen formuliert, deren Umsetzung einen wesentlichen Beitrag für den Einsatz von Smart Data und letztendlich das Gesundheitssystem als Ganzes leisten soll:
- Daten liegen aktuell in den meisten Fällen nur in analogen, unzugänglichen oder unstrukturierten Silos vor. Um nicht nur im Einzelfall, sondern auch im Rahmen einer durch den Patienten genehmigten Sekundärnutzung in einem größeren Rahmen nützlich zu sein, müssen diese vereinheitlicht und verfügbar gemacht werden.
- Damit Patienten die Hoheit über ihre Daten behalten können, gleichzeitig aber auch einen freiwilligen Beitrag zur gesellschaftlichen Gesundheitsforschung leisten können, müssen rechtssichere und datenschutzkonforme Einwilligungsverfahren geschaffen werden.
- Insbesondere muss das Spenden von Patientendaten ermöglicht werden. Hierzu gehört sowohl die einfache Bereitstellung der Daten für eine Sekundärnutzung durch ein gegebenes Forschungsprojekt als auch eine pauschale Spende von anonymisierten Daten zu Forschungszwecken.
- Eine Möglichkeit, diesen zu schaffenden Rechtsrahmen in der Realität abzubilden und die Interaktion zwischen Patienten und Datenverwendern zu erleichtern, bietet eine neu zu schaffende Internetplattform, auf der akteursübergreifend die Daten zu Behandlungs- und Forschungszwecken ausgetauscht werden können.
- Die Nutzung von Smart Data-Technologien eröffnet neue Geschäftsfelder. Der Markt alleine für mobile Gesundheitsapps wird für 2017 auf 26 Milliarden Dollar prognostiziert 1. Um Deutschlands Position hier zu stärken, ist die Förderung entsprechender eHealth-Projekte wichtig, auch durch die Schaffung einer Abrechenbarkeit digitaler Angebote. Der starke Datenschutz, aber auch die Kontrolle der medizinischen Unbedenklichkeit, ist hier kein Hindernis, sondern ein Standortvorteil.
- Wie alle Smart Data-Projekte leiden auch Projekte im Gesundheitswesen unter dem Fachkräftemangel. Dieser muss verstärkt angegangen werden. Wir verweisen hierfür auch auf unsere letztjährige Publikation zum Thema „Analysieren lernen, Lernen analysieren” 2.
- Der Wert der Patientendaten endet nicht an den Bundesgrenzen. Dies bedeutet einerseits, dass sie auch über diese hinweg geschützt bleiben müssen, andererseits aber auch, dass der datenschutzkonforme Austausch mit anderen Ländern den Datenbestand vergrößern und so die Forschungsergebnisse verbessern kann.
In dem gesondert erscheinenden Positionspapier „Smart Data im Gesundheitswesen“3 stellt die Expertengruppe Smart Data dar, wie die verschiedenen Akteure im deutschen Gesundheitswesen von einer konsequenten Nutzung moderner datengetriebener Technologien profitieren können. Der Fokus liegt hierbei auf Anwendungen, welche ihren Mehrwert aus der algorithmischen Auswertung großer Datenmengen ziehen. Insbesondere wird auch betrachtet, welche Hürden der Digitalisierung im Weg stehen und wie diese bewältigt werden können. Dass auf technologischer Seite vieles schon seit Jahren machbar ist, zeigt ein Blick nach Finnland, wo Patienten schon heute ihre gesamte klinische Historie einsehen und Zugangsrechte auf ihre Daten verwalten können. Der Fokus liegt also auf rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen sowie auf gesellschaftlichen Fragestellungen.
Eine erfolgreiche Nutzung von Smart Data-Technologien im Gesundheitswesen darf sich nicht ausschließlich an der Ausgangslage orientieren, sondern muss sich zukunftsgerichtet auch durch den Mut auszeichnen, neue Wege zu gehen.
- https://www.uniklinik-freiburg.de/fileadmin/mediapool/09_zentren/studienzentrum/pdf/Studien/150331_TK-Gesamtbericht_Gesundheits-und_Versorgungs-Apps.pdf ↩
- Verfügbar unter http://deutschland-intelligent-vernetzt.org/app/uploads/2016/11/FG2_Smart_Data_und_Digitale_Bildung_web_20161111.pdf ↩
- Verfügbar unter http://deutschland-intelligent-vernetzt.org/wp/downloads/ ↩