In Bezug auf die Umsetzung der von der Bundesregierung im September 2015 beschlossenen Strategie „Intelligente Vernetzung“ kommt der öffentlichen Verwaltung in doppelter Hinsicht eine herausragende Bedeutung zu. Neben ihrer generellen Mitwirkungs- und Gestaltungsverantwortung hinsichtlich der Digitalisierung und Transformation zentraler Infrastrukturbereiche wie Energie, Gesundheit, Bildung oder Verkehr bildet die öffentliche Verwaltung mit ihren über 20.000 Behörden selbst eine Infrastrukturdomäne von herausragender gesellschaftlicher Bedeutung, die zudem einen erheblichen digitalen Entwicklungsrückstand aufweist.
Intelligente Verwaltungsnetze
Status und Fortschritt priorisierter Handlungsfelder
Im Rahmen des Stakeholder Peer Reviews wurden priorisierte Themen zu Intelligenten Verwaltungsnetzen vertiefend betrachtet. Folgende Detailbeschreibungen und Bewertungen bilden diese Schwerpunktsetzung ab.
weitere Maßnahmen erforderlich
fortgeschritten
hohe Dringlichkeit
Dem Staat bzw. der öffentlichen Verwaltung kommt im Bereich öffentlicher Infrastrukturen eine grundlegende Daseinsvorsorge- und Gestaltungsverantwortung zu. Der Politik obliegt die Verantwortung für die rechtlich-regulatorischen Rahmenbedingungen, während der öffentlichen Verwaltung die generelle Umsetzungsverantwortung bezüglich des politisch aufgespannten Ordnungsrahmens zukommt. Entsprechend groß ist daher auch die Relevanz und Bedeutung der öffentlichen Verwaltung für die Konkretisierung und Umsetzung der von der Bundesregierung im September 2015 verabschiedeten Strategie „Intelligente Vernetzung“.
Deutschland hat gerade im Bereich der vernetzten Verwaltung ein erhebliches Umsetzungsdefizit. Um dieses zu überwinden, müssen u. a. die rechtlichen, organisatorischen und finanziellen Rahmenbedingungen für die Konkretisierung und Erprobung innovativer Konzepte der verwaltungsübergreifenden Zusammenarbeit nachhaltig verbessert werden. Dazu können Innovations- und Erprobungsräume als Orte der Innovation und Transformation in Zukunft einen bedeutenden Beitrag leisten.
Innovations- und Erprobungsräume haben eine besondere Bedeutung für den flächendeckenden Rollout intelligent vernetzter Infrastrukturen. Erfolgreich erprobte Projekte und Anwendungen können nur aus regional erfolgreichen Modellen heraus skaliert und repliziert werden.
Innovations- und Erprobungsräumen kommt daher als den „Reallaboren der Digitalisierung“ für das Zusammenwirken über sektorale Grenzen hinweg eine besondere Bedeutung zu.
Auf der Basis einer stabilen institutionellen Struktur sowie einer besonderen Praxisnähe sind Innovations- und Erprobungsräume besonders geeignet, um die für Innovations- und Transformationsprozesse notwendige kreative und sachorientierte Atmosphäre des Zusammenwirkens von Akteuren über Disziplin-, Ressort- und Verwaltungsgrenzen hinweg zu schaffen. Förderlich ist zudem eine möglichst umfassende Bereitstellung relevanter öffentlicher Daten bzw. eine entsprechende Treuhänderfunktion für branchenübergreifend genutzte digitale Datenbestände in einem wettbewerblichen Umfeld.
Auf der Grundlage verschiedener aus dem IT-Gipfel-Prozess heraus entstandener Initiativen sowie einer entsprechenden Würdigung seitens des IT-Planungsrates (Beschluss 27/2014) haben sich inzwischen drei Innovations- und Erprobungsräume als Orte der Innovation und Transformation konstituiert. Das ist ein erster wichtiger Erfolg, auf dem es nun aufzubauen gilt. Daher setzt sich die Fokusgruppe „Intelligente Vernetzung“ des Nationalen IT-Gipfels aktuell für die Einrichtung von Modellregionen im Rahmen der Umsetzung der Strategie „Intelligente Vernetzung“ ein.
weitere Maßnahmen erforderlich
am Anfang
hohe Dringlichkeit
Die fortschreitende Digitalisierung bewirkt in vielen Branchen eine grundlegende Veränderung von Arbeits- und Kompetenzprofilen. Dies gilt in besonderer Weise für die öffentliche Verwaltung, deren gut 200 Jahre altes aufgabenorientiertes und noch immer stark papierbasiertes Organisationsmodell vor einem fundamentalen Wandel steht. Dazu gilt es, bereits heute an die Fach- und Führungskräfte von morgen zu denken und das bestehende System der Aus- und Weiterbildung schnellstmöglich an sich verändernde Rahmenbedingungen und Anforderungen anzupassen.
Wenngleich diese Aufgabe inzwischen z. B. vom IT-Planungsrat als wichtiger Handlungsschwerpunkt erkannt wurde, mangelt es diesbezüglich nach wie vor an den erforderlichen konzeptionellen Grundlagen (fehlende Standardwerke, genereller Forschungsbedarf) wie auch an den notwendigen personellen und finanziellen Ressourcen (Innovationsfonds). Hier bedarf es dringend entsprechender Maßnahmen sowie einer noch engeren Zusammenarbeit von Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft, beispielsweise im Hinblick auf die gezielte Erschließung und Nutzung der in Wirtschaft und Wissenschaft bestehenden Kompetenzen, Ressourcen und Lösungsideen für die staatliche Modernisierung.
kritisch
am Anfang
hohe Dringlichkeit
Um den digitalen Wandel zu bewältigen, sind im Bereich der öffentlichen Verwaltung neue Arbeits- und Organisationsformen sowie veränderte Kompetenzen erforderlich, was vor allem eine Anpassung des bestehenden Systems der Aus- und Weiterbildung dringend erforderlich macht. Notwendig ist eine stärkere Gestaltungsorientierung und Interdisziplinarität sowie neue Formen der kontinuierlichen Nutzung von Kompetenzen und Ressourcen aus Wirtschaft und Wissenschaft. Dazu gilt es auch, Berufsbilder im Bereich der öffentlichen Verwaltung, deren Ausbildungsinhalte sowie didaktische Lehr- und Lernformen kritisch zu hinterfragen und an neue Herausforderungen bzw. Rahmenbedingungen anzupassen.
Die digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung von einer dezentralen aufgabenorientierten hin zu einer datenzentrierten und wirkungsorientieren föderalen Organisation wird zudem entscheidend davon abhängen, ob und wie es gelingt, eine neue Generation von Fach- und Führungspersönlichkeiten zu rekrutieren bzw. auszubilden (Leadership).
kritisch
am Anfang
hohe Dringlichkeit
Neue, datenzentrierte IT-Architekturen und Geschäftsmodelle haben das Potenzial, das inzwischen 200 Jahre alte Organisationsmodell der öffentlichen Verwaltung konstruktiv in Frage zu stellen. Staat und Verwaltung können heute Aspekte der Identität und relevanter Rechte und Pflichten sowie Fragen der Transparenz, Partizipation und Legitimität des Handelns effizienter lösen als auf der Basis des bestehenden aufgabenorientierten und personalintensiven Organisationsmodells des frühen 19. Jahrhunderts.
Die personalisierte, kontextabhängige und ortsunabhängige Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen auf der Basis zeitgemäßer IT-Lösungen und informationstechnischer Verbünde entspricht nicht nur den heutigen Erwartungshaltungen von Bürgern und Unternehmen. Sie bietet zudem vielfältige Perspektiven für eine deutlich transparentere und effizientere Abwicklung von Verwaltungsprozessen. Die Erschließung entsprechender Potenziale ist vor dem Hintergrund der strukturellen Herausforderungen des öffentlichen Sektors ohnehin dringend geboten.
Bund und Länder haben das enorme Effizienz- und Gestaltungspotenzial eines umfassenden informationstechnischen Verbundes im Bereich der öffentlichen Verwaltung erkannt und 2010 einen entsprechenden Gestaltungsauftrag im Grundgesetz (Artikel 91 c) verankert. Was jedoch fehlt ist ein umsetzungsorientiertes Programm zur massiven Förderung verwaltungsübergreifender IT-Anwendungen auf der Grundlage von Cloud Computing.
Auf der Basis von Cloud Computing eröffnen sich im Bereich der öffentlichen Verwaltung vielfältige neue Möglichkeiten für die verwaltungs- und ressortübergreifende Bereitstellung bzw. Nutzung informationstechnischer Systeme. Durch die gemeinsame Mit- bzw. Nachnutzung sowie die gemeinsame Weiterentwicklung entsprechender Anwendungen entstehen sehr schnell signifikante Effizienz- und Servicevorteile. Die schrittweise Umstellung und Weiterentwicklung bestehender Fachanwendungen auf netzbasierte sowie datenzentrierte Betriebs- und Geschäftsmodelle eröffnet zudem neue Perspektiven für den Vertrieb bzw. die Bereitstellung innovativer und sicherer E-Government-Anwendungen aus Deutschland im In- und Ausland.
In diesem Rahmen gilt es auch, grundlegende strukturelle Hemmnisse in Bezug auf die unzureichende organisatorische Netzwerkfähigkeit der öffentlichen Verwaltung zu beseitigen.
Entsprechend der föderalen, ressort- und aufgabenorientierten Struktur der öffentlichen Verwaltung überwiegt in Deutschland aktuell noch ein dezentraler, werkzeugorientierter Einsatz von IKT. Die Fragmentierung der öffentlichen IT ist daher entsprechend hoch (> 20.000 Standorte, oft über 100 isoliert beschaffte bzw. programmierte und meist dezentral betriebene Fachverfahren).
weitere Maßnahmen erforderlich
am Anfang
hohe Dringlichkeit
Aufgrund ihrer generellen Verantwortung für die gesellschaftliche Entwicklung verfügen Staat und Verwaltung über exklusive Instrumente in Bezug auf die Schaffung geeigneter gesetzlicher und regulatorischer Rahmenbedingungen zur Etablierung neuer Kooperationsformen sowie neuer Geschäftsmodelle auf der Grundlage einer umfassenden informationstechnischen Vernetzung.
Für die konkrete Umsetzung innovativer Konzepte bedarf es jedoch nicht nur der Anpassung rechtlicher Rahmenbedingungen, sondern auch konkreter Investitionen. Da die Erschließung großer Effizienzeffekte häufig auch mit erheblichen organisatorischen (und damit auch für Mitarbeiter und Führungskräfte ganz konkreten persönlichen) Veränderungen verbunden ist, bestehen hier bedeutende Hemmnisse, die es zu berücksichtigen gilt. Weil darüber hinaus der konkrete Nutzen von IT-gestützten Modernisierungsprojekten häufig an anderen Stellen innerhalb einer Verwaltung oder der Gesellschaft entsteht, gilt es, tragfähige Gesamtkonzepte zu erarbeiten, um überhaupt Anreize zu schaffen, bestehende Strukturen konstruktiv in Frage zu stellen und neue Lösungen entsprechend verwaltungsübergreifend anzugehen.
Neben der notwendigen Erarbeitung ganzheitlicher Modernisierungsstrategien und -konzepte für die digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung (Forschungsbedarf) ist es dringend erforderlich, den IT-Planungsrat noch stärker als bisher mit den notwendigen Finanzierungs- und Steuerungsinstrumenten auszustatten. Denkbar sind beispielsweise ein „Innovations- und Transformationsfonds des IT-Planungsrates“ sowie die Implementierung bzw. Stärkung von finanziellen Modernisierungs- und Transformationsanreizen im Rahmen des Haushaltsrechts („Effizienzrendite“).
Status und Fortschritt nach Zielbildern 2020
Die nachfolgenden Detailbetrachtungen zeigen die von der Projektgruppe „Intelligente Verwaltungsnetze“ erarbeiteten Zielbilder für den in 2020 angestrebten Zustand des Verwaltungssektors in den strategischen Ebenen. Nebenstehend wird der aktuelle Status und die Umsetzung ausgehend von diesem Zielbild bewertet. Detailbeschreibungen der Zielbilder/Zielbildbausteine finden Sie im Ergebnisbericht 2013.2
- Der deutsche Beamtenbund schätzt, dass in den kommenden zehn Jahren ca. 20 Prozent der derzeitigen Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung altersbedingt ausscheiden werden. Dies bedeutet, dass ca. 700.000 Stellen neu besetzt oder die entsprechenden Aufgaben neu organisiert werden müssen (link) ↩
- Ergebnisbericht 2013: Projektgruppe Intelligente Energienetze(link) ↩